Wenn dein Kind ein Superheld wäre, welcher wäre es?

Habt ihr euch auch schon einmal diese Frage gestellt? Tut es einfach mal.

OK, ich gebe zu Marvel-Fan zu sein und bin daher wahrscheinlich etwas vorgeschädigt. Ich weiß auch nicht wie ich auf diese Fragestellung gekommen bin. Interessant dabei ist, dass alle, die ich in meinem Umfeld zu meinen Kindern befragt habe, zumindest bei meinem Sohn spontan die gleiche Idee hatten: Wenn mein Sohn ein Superheld wäre, dann wäre er sicherlich Ben Grimm alias "Das Ding" von den Fantastischen Vier. Oder aber Groot von den Guardians of the Galaxy.

Wenn man die Geschichten aus dem Marvel Universum kennt, wird man sicherlich sofort Assoziationen mit beiden Helden haben. Beide Figuren sind große, starke und etwas plumpe Charaktere, deren behäbiges Verhalten auch mit einem begrenzten Horizont verwechselt werden könnte. Dabei sind diese beiden Helden extrem großherzig und treu und sind jederzeit bereit sich für ihre Freunde zu opfern. Die Ähnlichkeit ist manchmal sogar so verdammt groß, dass man glauben könnte, Stan Lee hat die beiden nach dem Vorbild meines Sohnes erschaffen. Ich warte manchmal nur darauf, dass er mich mit seinen großen Augen anschaut und sagt: "Ich bin Groot!". So hätte es mich eigentlich auch nicht schocken sollen, als meine Schwester mir vor einigen Tagen ein Video von ihm schickt, auf dem er erzählt, dass er einen toten Vogel auf dem Hof gefunden hat und mit ihm dann in einem Fass voller Wasser spielte. "Mama!", ruft er in die Kamera "Ich hab einen Vogel gefunden! Ich hab mit dem gespielt. Da im Wasser. Ganz nass ist der." Auf die Frage meiner Schwester, was denn mit dem Vogel sei, antwortet er: "Ganz tot ist der, Mama. Ich hab den auf dem Trecker gefunden." Mein kleiner Sohn im Video lässt die Schultern ratlos hängen und möchte den toten Vogel zusammen mit seiner Schwester und Tante Laura jetzt beerdigen. Ich erwische mich dabei, wie ich schmunzeln muss. Seine großen Augen blicken in die Kamera und in meinen Gedanken höre ich ihn sagen: "Ich bin Groot..."

Dieser Junge stolpert den lieben langen Tag durch die Gegend und ist meistens gut gelaunt. Er liebt Umarmungen und summt zufrieden vor sich hin. Mehrfach am Tag irrt er dann durch den Raum und sucht nach seinem Tuch. Und wenn er Tuch sagt, meint er Nucki. Er lässt Tuch und Nucki einfach immer und überall liegen und verliert beide sogar beim Schlafen im Bett. Der kleine liebenswerte Junge ist wirklich ein ungeschickter Bollerkopp. Am Essenstisch turnt und tobt er herum. "Kind, pass auf! Gleich stößt du dir den Kopf an der Tischecke!", ruft Oma. Das Ding ignoriert sie. BUMMMMMS. "Aaaaauuuuuaaaaa!". "Die Oma hat's gesagt. Sag Danke, Oma.", wir können uns den Sarkasmus nicht verkneifen. Das Ding reibt sich den Kopf, wackelt geduckt zu Oma herüber, umarmt sie und sagt: "Danke, Oma". Kinder sind großartig!

Bei meiner Tochter wird die Sache mit dem passenden Superhelden schon schwieriger. Wir können uns nicht auf einen allein festlegen, sondern kommen zu dem Entschluss, dass sie eine zwiegespaltene Figur ist. Sie ist eine Kombination aus dem unglaublichen Hulk und Ironman. Sie wechselt unvorhersehbar zwischen unkontrollierbarer Wut und dem schwierigen Charakter des Super-Genies Tony Stark. Aus einer ruhigen Bastelstunde kann schlagartig ein Fiasko werden, wenn man ihre Stifte in der falschen Reihenfolge wieder in die Stiftebox zurücklegt. Macht man den Fehler und spielt nicht nach ihren Regeln, indem man fälschlicherweise nicht auf das Geschlecht des Spielzeugpferdes achtet, oder das Geräusch eines Motorbootes nicht korrekt nachmachen kann, dann muss man damit rechnen, dass sich das kleine klugschheißerische Mädchen plötzlich in eine brüllende und wild um sich schlagende Bestie verwandelt. In solch einem Zustand kann sie nichts und niemand aufhalten - womöglich nicht einmal ein Panzertrupp.

So hangeln wir uns Tag für Tag von einer prekären Situation zur nächsten und versuchen tunlichst die grüne Bestie in ihr schlummern zu lassen. So gelingt das an manchen Tagen mal mehr und an den meisten Tagen eher weniger. So will Tante Laura den Corona-Lagerkoller, in dem nicht nur wir uns zur Zeit befinden, mit etwas Kuchen-Backen kurzzeitig vergessen lassen. Das klappt aber nur so lange, bis die Schokoladenglasur zum Einsatz kommt: Meine Tochter steht entsetzt in der Küche und kann es einfach nicht fassen. Wie kann sie es nur wagen! Auf dem Karton der Backmischung war davon ja gar nichts zu sehen! Was fällt ihr eigentlich ein eigenmächtig Schokolade über den Kuchen zu gießen! Wenn das jeder machen würde, wo kämen wir da denn hin. Sie beschwert sich über so viel Improvisation und verwandelt sich vor unseren Augen in ein grünes, grollendes Monster. Ich kann nur den Kopf schütteln, da sie ja sonst so sehr auf die Schokolade abfährt. Wer soll dieses Kind nur verstehen? Tut sie das selber überhaupt? Oder steht während eines Wutausbruches ihr Ironman-Ich neben dem wütenden Hulk und schüttelt genauso sehr den Kopf? Manchmal glaube ich das schon. Denn es gibt dann auch diese Tage, an denen sie sich, nachdem sie sich abreagiert hat, zu mir kommt und sich für ihr Verhalten entschuldigt: " Mama, es tut mir leid, dass ich so böse war. Aber das hat mich gerade einfach sooooo wütend gemacht. Da konnte ich einfach nicht anders."

Was macht man da als Mutter? Klar sollte man ruhig bleiben. Aber es ist einfach sooo verdammt schwer! "Jedes Kind ist anders... Es ist nur eine Phase, warte erst einmal auf die Pubertät!", sagen kluge Eltern und wollen mir Ratschläge erteilen, während ich verzweifel und bete, dass es nicht noch schlimmer kommen wird. Ich liebe meine beiden Superhelden sehr. Unsere Tage sind laut, bunt, turbulent, voller Lachen und Tränen. Wir zanken und wir vertragen uns. Nicht selten gibt es Beulen und blaue Flecke, weil Das Ding nicht auf Mama hören möchte, sondern selbst erfahren möchte, dass ein Stromzaun "beißt". Ich bin oft müde und kann sehr gut nachvollziehen, warum Schlafentzug zu Folter zählt. Oft genug mache ich eine Faust in der Tasche, verkneife mir ein Tränchen und wünsche mich auf eine einsame Insel, weil es mir einfach zu viel ist. Und dann setzen die beiden Helden ihre Superkräfte ein: Sie schenken mir dann diese Momente voller Umarmungen, Küsse, Situationskomik, strahlender Kinderaugen, Kuscheleineiten, und kindlicher Logik, die mich zum lachen bringen, erden und mir immer wieder sagen: darum tust du dir das jeden Tag aufs Neue wieder an!

Und am Ende eines Tages mache ich dann drei Kreuze, wenn ich sagen kann, dass unser Tag mehr aus Ironman, als aus Hulk bestand.